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Montag, 26. Dezember 2011

Parque Nacional Yasuni (Ecuador)

Die Waoranis und wir
Yasuni! Unglaublich! Unbegreiflich! Wahnsinn! Sebastian hat vorhin mit seiner Familie telefoniert und gesagt: „Man muss es erlebt haben, um zu glauben, dass es so etwas überhaupt noch gibt.“ Und genau so ist es. Aber eins nach dem anderen. Durch die Besitzerin des Hostels Las Palmas hatten wir das Glück Bairon kennen zu lernen, der uns für sechs Tage mit zu seinen Freunden in den Dschungel nahm. Mit seiner kleinen, schäbigen, sowie klapprigen Karre machten wir uns um sechs Uhr morgens auf die von ihm sogenannte Expedition in den Dschungel.
Versammlungs-Hütte
Die Fahrt begann auf unbefestigten Schotterstraßen Richtung Osten wobei sich der Zustand der Straßen zunehmend verschlechterte. Die steilen Hänge, auf denen die Straßen gebaut wurden, waren nur noch mit Anschieben des Autos zu bewältigen bis uns ein, durch den starken Regen stark angestiegener Fluss ein Weiterfahren unmöglich machte. Da diese Stelle die einzige ist, um den Weg nach Yasuni fortzuführen, hieß es für uns zu warten, bis der Fluss sich wieder absenkte. Nach vier Stunden mit Regen, Sonnenschein und Bekanntschaften aller Art besorgte Bairon einen Jeep mit Allrad aus 
der letzten Siedlung, um den Fluss doch noch zu überqueren. Tatsächlich gelang es uns, mit Beschweren der Achsen des Jeeps die Hürde zu nehmen und so konnte unsere Reise letztendlich doch weiter gehen. Der Fluss markiert, wie wir im Nachhinein erfuhren, die Grenze zum Regenwald, wodurch der Zugang zusätzlich erschwert wird. Von nun an begleiteten uns hohe, urige, alte Bäume, sowie ein nicht enden wollendes Grün Richtung Pitaccotca. Menschen schien es auch keine mehr zu geben. In Pitaccotca angekommen, ging es in einem Kanu weiter. Carlos, Daniel und zwei weibliche Mitglieder des 
die Dusche
Waoranis privat
indigenen Waorani-Stamms kamen uns auf diesem abholen. Das beeindruckende 12m lange Kanu, das aus einem einzigen Stamm geschnitzt wurde, brachte uns nach zwei Stunden Fahrt mit heftigen Regenschauern, die man von nirgendswo her kennt, an eine Stelle, von der aus es nur noch zu Fuß weiter ging. Die Familie brachte uns nun
kleine Blasrohre als Waffen
nach einem zwei stündigen Gang immer tiefer in den Dschungel. Der Weg war tückisch und erschwerte einem das Laufen ungemein, wobei die anbrechende Nacht keineswegs zur Erleichterung beitrug. Der Regen hatte die Erde so aufgeschwemmt, dass man durch tiefen Schlamm und rutschige Steine steil bergauf, sowie steil bergab stapfen musste. Wir gelangten dann zu der kleinen Siedlung, die aus ca. vier Pfahlbauten besteht. Somit waren wir in Teweno angekommen, einem Ort, der in keiner Karte mehr existiert. 
zwei Affen
Unser Kommen wurde mit Ruflauten und Klopfen auf Baumstämme angekündigt. Nach recht herzlicher Begrüßung und einem kleinen Abendessen bestehend aus Reis und Ei, bezogen wir unseren Schlafplatz. Erschöpft und gespannt auf den nächsten Tag vielen wir ins Bett. Am ersten Tag im Dschungel lernten wie die restlichen Stammesmitglieder kennen und bekamen eine Einsicht in ihre Lebensweise. Die Häuser sind aus einem einfachen Holzgerüst konstruiert, auf das ein aus Palmenblättern geflochtenes Dach gelegt wird. Wenn erforderlich dienen einfache Leinentücher als Wände. 
Kletteraffe im Baum
Zum Schutz vor Regen und häufigen Überschwemmungen wurden die Bauten auf Pfählen errichtet. Als WC wurde uns ein kleines Loch in der Erde mit Blättern als Abdeckung gezeigt. Die Dusche, die eigentlich nicht vorhanden ist, wird durch eine Schüssel und eine Wassertonne repräsentiert. Das Leben der Menschen dort findet weitestgehend in einem großen offenen Raum mit Feuerstelle statt, wo der Häuptling des Stammes gerade sein Mittagsschlaf hielt, während andere kochten, färbten, webten oder schnitzten. Man zeigte uns ihre Jagdutensilien und ihre Tracht. Um uns herum versammelten sich die hauseigenen Papageien, Affen und Hunde.
Aufbruch mit dem Kanu
Die Waoranis gehören zu den Waos. Sie sind ausgezeichnete Jäger und sind perfekt an die vorherrschenden Wetterverhältnisse angepasst. Sie klettern in Sekundenschnelle auf 15 m hohe Bäume und laufen Stunden mit schwerem Gepäck, ohne auch nur einmal zu schnaufen. Sie kennen jeden Laut von jedem Tier, können sich im endlosen Dschungel orientieren als wäre jeder Baum ein Wegweiser und wissen jede Wirkung der einzelnen Pflanzen.
An einem weiteren Tag packten wir ein paar Sachen zusammen und starteten einen Ausflug. Mit dem Kanu ging es zum Fischen vier 
beim fischen
Stunden flussabwärts. Da der Regenwald nicht zu Unrecht seinen Namen trägt, ereilte uns wieder einmal ein unglaublicher Regenschauer. Nach fünf Sekunden waren wir völlig durchnässt. Der Stammesvater und sein Sohn Carlos trieben das Boot mit Bambusstäben an, indem sie sich mit diesen im seichten Fluss abstießen und auch hier war kein Funken von Anstrengung zu erkennen. Zum Fischen benutzen die Waorani eine Art Harpune, um in die Unterwasserhöhlen der Flussränder zu stechen aus denen sie dutzende Fische fangen. Nach kurzer Weiterfahrt hielten wir an, um 
das Lager für die Nacht
unser Lager für die Nacht aufzubauen. Mit einer Machete bewaffnet, wurden für den Lagerplatz und das Grundgerüst Palmen, Sträucher und kleine Bäume gefällt. Der Boden wurde mit Palmenblättern ausgelegt. Aus den Bäumen wurden Stützen und aus den Palmen das Dach gebaut. Sebastian und ich bekamen ein Zelt. Die anderen gaben sich mit einem Moskitonetz zufrieden. Bevor die Dämmerung anbrach, verließen wir für kurze Zeit unser Lager, um die andere Waori-Familie zu besuchen, die wir wenige Meter flussaufwärts getroffen hatten. Noch urtümlicher, als die uns bekannten Waoranis, 
der Blick über den Regenwald
lebte diese Familie nackt. Diese Lebensart entspricht der Mehrheit der indigenen Völker im Dschungel. Da die Nacht einbrach, machten wir uns auf den Weg in unser Lager, um noch unsere gefangenen Fische zu grillen. Dazu gab es den Struck einer Palme, der von der Konsistenz her einem Spargel ähnelt, und natürlich Reis. Die Nacht verlief glücklicherweise regenfrei. Am darauffolgenden Tag fuhren wir wieder flussaufwärts, wobei wir ein Stück auch noch zu Fuß zurücklegten. Auf dem knapp fünfstündigen Weg bannte uns Carlos mit seiner Machete den Pfad. Wir sahen riesige, uralte Bäume von 
Regenwald überall
Wann endet der Baum?
enormen Umfang, schwangen an Lianen, wie es Mogli nicht besser könnte, kosteten jegliche Art an Früchten und Bäumen, sahen Affen, Papageien, Schlangen, gigantische, bunte Schmetterlinge, sowie Höhlen von riesigen Meerschweinchen, Tigern und Jaguars. Der Weg ging wieder steil bergan und bergab, durch Flüsse und
schwingen an Lianen
schlammige Böden, sowie über, unter und auf Baumstämmen entlang. Unsere Gummistiefel waren Gold wert. Wie die
gigantische Bäume
anderen Abende endete auch dieser mit Lachen und Gesprächen, bis die Dunkelheit Einzug hielt. Am nächsten Tag war Weihnachten. Wir gingen morgens Vögel und Fledermäuse jagen, was extrem viel Spaß machte, weil
Fledermausjagd
Sebastian endlich die Waffen der Waoranis ausprobieren konnte. Mit einem 2 Meter langen Blasrohr versuchte er einen Gecko zu treffen und traf ihn beim ersten Versuch genau quer in den Hals. Der Gecko musste jedoch nicht sterben, da wir ihn wieder laufen ließen. Die Fledermäuse wurden mit einer ausgeklügelten Technik aus den Baumstämmen gescheucht und mithilfe eines Netzes eingefangen. Nach ausgiebiger
Echse
Jagd ging es wieder zurück ins Dorf, wo die Vorbereitungen für Weihnachten anstanden. Der Stammesvater war mit seinem Enkel auf Jagd und brachte ein Kanu mit allen erdenklichen essbaren Dingen nach Hause. Darunter befanden sich ein Reh, Früchte aller Art und Fische. Da das noch nicht genug war, schlachtete der kleine Junge zusätzlich noch ein Huhn, das er kurzerhand mit zwei Schlägen mit der Machete auf den Hals köpfte. Das abendliche Weihnachtsfest fand in einer großen Hütte statt, die als Versammlungshaus diente. Hier liefen mehrere Männer des Dorfes in einer Gruppe immer wieder
"Weihnachts"-Zeremonie
im Kreis und stießen Laute aus, die sich wiederholten, um die restlichen Dorfeinwohner zum Fest zu rufen. Nach und nach kamen immer mehr Dorfbewohner zum Versammlungshaus. Die Kleidung der Leute bestand aus Lederröcken, gekreuzten Lederschärpen, sowie einem Federkranz auf dem Kopf und unterschiedlichsten Schmuck. Das Ende der “Im Kreis Lauf Zeremonie“  war, dass Sebastian auch noch mitmachen musste. Er sah aus wie einer von ihnen, nur nicht so dunkel. Wie sich letztendlich heraus stellte, handelte es sich nicht
verheiratet...
um ein weihnachtliches Fest, sondern um unsere Hochzeit. Nachdem Tanz musste sich Sebastian neben mich setzen und die Zeremonie aus Gesang, Geschrei und Gebeten in der Waorani-Sprache begann. Nach Beendigung der Zeremonie waren wir für die Waoranis offiziell verheiratet. Das Abendessen gab es wieder in unserer angestammten Hütte im Dorf. Der Abend neigte sich dem Ende und am nächsten Tag hieß es dann auch schon Abschied nehmen von der Dorfgemeinschaft. Um sieben Uhr am nächsten Tag traten wir unseren Rückweg an. Dies bedeutete sechs Stunden Wanderung durch den
nach sechs Stunden...
Dschungel unter widrigsten Bedingungen. Die Wanderung war so wunderbar, wie auch anstrengend gewesen. Komplett erschöpft gelangten wir an ein Häuschen von wo aus wir mit einem Jeep wieder zurück Richtung Zivilisation fuhren. Die letzten sechs Tage waren eine unglaubliche und sehr interessante Erfahrung. Nie hätten wir uns erträumt, dass wir Zeugen einer solch isolierten Welt werden würden. 

das Dorf in Teweno

die einzige Küche mit Herd (der nicht funktionstüchtig war)
Blick über den Regenwald

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